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Wir erleben derzeit eine eher unheilvolle religiöse Renaissance, in der, alten Traditionen wie etwa den christlichen Kreuzzügen und dem muslimischen Dschihad folgend, auch Mord, Totschlag und sadistische Quälereien im Namen und zur höheren Ehre Gottes fröhliche Urständ‘ feiern. Dies veranlaßte kürzlich einen besonnenen Mann wie den Dalai Lama, immerhin geistliches Oberhaupt einer sehr bedeutenden Religionsgemeinschaft bzw. lebensphilosophischen Bewegung, zu der Überlegung, ob man nicht angesichts überbordender religiöser Greuel die Religionen abschaffen sollte.

Religiöser Wahn machte aber zu vielen Zeiten auch vor den Wissenschaften und dem Denken der Menschen nicht halt. Wir erleben dies derzeit in Form eines christlichen Fundamentalismus, der sich – mit milliardenscheren Zuwendungen gepolstert und pseudowissenschaftliche Institute gründend – vor allem die Zerstörung und Behinderung des Evolutionsdenkens zum Ziel machte.

Gegen die bornierte Einstellung von Vertretern des „Intelligent design“, aber auch der Zeugen Jehovas oder katholischer, islamischer und jüdischer Fundamentalisten – die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen – kommt man natürlich als sich um intellektuelle Redlichkeit bemühender Mensch und Wissenschaftler, der auch eigene Unzulänglichkeiten freimütig zugesteht, schwer an. Vor allem wenn man zu der von dieser Einstellung geforderten Vorläufigkeit eigener Positionen steht.

Ich bekenne mich dennoch zur „docta ignorantia“ eines Nikolaus von Kues, zum gelehrten Unwissen, das nahtlos an Sokrates‘ berühmtes „Ich weiß, daß ich nichts weiß“ anschließt. Dies schwächt zwar in Diskussionen mit Fundamentalisten aller Coleurs ein wenig die eigene Position, doch macht Ehrlichkeit erfahrungsgemäß auch glaubwürdiger.

Ich kann daher nur einen derzeitigen, vorläufigen geistig-weltanschaulichen Entwicklungsstand darstellen, der mich nicht hindern soll, irgendwann einmal klüger zu werden. Diesen Istzustand habe ich in die Form eines Interviews gefaßt, das auf einem anderen, vor Zeiten aufgenommenen, fußt.

Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.

                            J. W. Goethe, Faust I

I (Interviewer):Die berühmte Gretchenfrage aus Goethes Faust stellt sich wohl jeder Mensch einmal. Viele auch öfter in ihrem Leben.

E (Edlinger):Für mich bedeutete die Klärung dieser berühmten Gretchenfrage einen langen, verwickelten Prozeß, in dessen Verlauf ich verschiedene Antworten fand und auch wieder verwarf. Wahrscheinlich können auch nur eingefleischte Dogmatiker und geistig verbogene Menschen endgültige Antworten „finden“ oder sich aufoktroyieren lassen, an denen sie dann eisern und ohne Kompromisse festhalten. Womöglich sind einzelne auch besonders begnadet, aber ich sehe mich außerstande, über eine derartige Gabe rational zu diskutieren.

Da Leben für mich ein ständiger Entwicklungsprozeß ist, der erst mit dem organischen Tod zum Abschluß kommt, ist es für mich  selbstverständlich, wenn auch die weltanschauliche Orientierung einem Wandel unterliegt. Einem Wandel allerdings, der unbedingt von intellektueller Redlichkeit geprägt sein sollte.

Gleich vorweg aber eine Bemerkung, die Joachim Fernau, ein von mir sehr geschätzter Querdenker zum religiösen Empfinden der klassischen Griechen machte! Sinngemäß meinte Fernau, den letzten Dingen, von denen auch hier die Rede ist, hätten sich die Griechen nur sehr scheu und vorsichtig genähert, sich wohl bewußt, wie wenig über „letzte Dinge“ zu wissen ist.

I: Glauben Sie an ein Jenseits?

E: Eindeutig ja. Aber vielleicht nicht im üblichen Sinne. Zuerst vielleicht eine Bemerkung, die mein Griechischlehrer einmal machte: „dem Dummen ist alles klar“. Was heißt, wer sich nicht wirklich für seine Mit-und Umwelt interessiert, der hat sich schnell Bilder zusammengebastelt, die ihn des weiteren Denkens und Forschens entheben. Diese Rolle können auch Ideologien spielen. Religionsgemeinschaften, Parteidisziplin etc. kann man ruhig auch einmal unter der Rubrik „organisierte Dummheit“ oder, wenn sich dazu noch übertriebenes Herdengefühl oder Patriotismus gesellen, als „organisiertes Sumpertum“ abhaken. Für diese Leute gibt es das „Jenseits“, wenn überhaupt, nur als ohnehin klare Sache.

Für den, der sich aber einmal auf das Abenteuer des Fragens einläßt, wird vieles jenseitig im Sinne des Unbekannten, womöglich zu Erforschenden. Da bin ich ganz bei Homar von Ditfurth, der ja auch für die Beschäftigung mit solchen Fragen geworben hat, allerdings auch in einem eher rationalen Sinne.

Über Max Planck wird berichtet, daß ihm als jungem Studienanfänger von der Physik abgeraten worden wäre, weil es ohnehin bald nichts mehr zu erforschen geben würde. Auf die Revolution, die Planck dann auslöste und die unendlich viel Erforschenswertes zutage brachte, brauche ich wohl nicht eigens hinzuweisen. Derzeit zeichnet sich auch für die Biologie eine solche Umbruchsituation ab, denn an das scheinbar festgefügte Gebäude des Traditionsdarwinismus ist mit dem Aufkommen der Epigenetik die Axt angelegt. *

Es gibt also dieses Jenseitige, wobei man mit dem Wörtchen gibt vorsichtig sein sollte, denn man spricht über weithin Unbekanntes. Am besten hat vielleicht Karl Jaspers das Problem beschrieben, wenn er von einem Umgreifenden spricht, das Existenz und Transzendenz verklammert. Und die Transzendenz, das uns nicht Bekannte ist dann nach Jaspers nur, höchstens, durch Chiffren zugänglich.

Immerhin hat eine solche geistige Entkrampfung auch dazu geführt, daß ein aufgeklärtes, undogmatisches Interesse für Fragen der Religion, welches auf zornige alte Männer im Himmel und geflügelte pausbäckige Engel verzichtet, wieder hoffähig wurde. Einen sehr positiven Effekt hatte dabei sicher die zunehmende Verbreitung asiatischer Denkmodelle. Allerdings nähere ich mich diesen auch mit einer gewissen Scheu, weil man ja nie wissen kann, ob die eigene kulturelle Prägung nicht doch einem tieferen Verständnis im Wege steht. Ein Wochenendseminar bei einer buddhistischen Gemeinschaft oder eine Veranstaltung mit dem Dalai Lama reicht sicher nicht. Glaubte man das, würde man zu einer ähnlich lächerlichen Figur wie die Wochenendindianer, die in nordamerikanischen Reservationen mit ihrer Ignoranz und Penetranz zu einem echten Problem wurden.

Ich stehe also zur „docta ignorantia“ als intellektuell einzig möglicher, ehrlicher Haltung.

I: Gilt das auch für die Frage nach Gott?

E: Gegenfrage: wen oder was verstehen wir unter Gott? Da ich selber ratlos vor dieser Frage stehe, muß ich wieder auf die „docta ignorantia“ rekurrieren. Vielleicht kann mich jemand aufkären. Noch habe ich niemanden getroffen, dem dies gelungen wäre. Es sei denn jene, die einen Gott präsentieren, welchen sich der Mensch nach seinem Bild geschaffen hat. Und der die Welt wie ein „Uhrmacher“ konstruiert hat. Wobei ihm aber allerhand Pfusch unterlaufen sein dürfte. Man kann aber andererseits durchaus davon ausgehen, daß es eine für uns bislang unfaßbare Wirklichkeit gibt, die wir vorläufig nicht begriffen haben, womöglich niemals begreifen werden. Aber ich will nicht in Worthülsen und Platitüden abgleiten.

Ich zitiere den evangelischen Theologen Jörg Zink, der eine sehr offene Haltung zur Gottesfrage, bzw. wie man sich Gott vorstellen oder auch eben nicht vorstellen könnte, bezieht:

„…aber was soll uns danach hindern, uns diesen Gott als ein seiner selbst bewusstes, denkendes Wesen vorzustellen, ausgestattet mit wirkender Kraft, mit Willen und einer hoch differenzierten geistigen Gesprächsfähigkeit, mit Barmherzigkeit, mit Liebe. Wenn Gott keine Person wäre, so hätte der Mensch in der Geschichte der Evolution einen höheren Stand und einen höheren Rang erreicht als Gott selbst. Aber warum wollen wir es denn nicht aushalten, dass uns Gott zugleich erscheint als gegenwärtig in allen Dingen und als Person. Warum immer dieses klein bemessene Entweder-Oder? Wir hindern uns doch mit unserem ständigen Entscheiden zwischen dem, was wir für möglich halten oder für unmöglich, nur daran, dass Wesen dieser Welt, auch das Wesen des Menschen und zuletzt das Wesen Gottes zu verstehen! Denn das scheint mir unserem menschlichen Geist eigen zu sein. Er wird, was über seinen Horizont hinaus liegt, immer nur in unauflöslichen Widersprüchen schildern können.“

Das könnte, in unsere Zeit transferiert und in unsere heutige Sprache übersetzt, von Cusanus stammen.

I: In diesem Zusammenhang eine Frage, die einen Zoologen wohl immer stark bewegen muß: Wie ist Ihre Einstellung zum Bewußtsein und – lassen wie den Begriff einmal gelten – zur Seele nichtmenschlicher Lebewesen?

E: Ich will erst die zweite Frage aufgreifen und meine Antwort mit einer Äußerung des von mir äußerst geschätzten Joachim Fernau einleiten, der meinte

„……..Ich habe die unglaublich narzißtische Einstellung der Menschheit gegenüber den Tieren niemals verstehen können.

An dieser Stelle möchte ich Sie nach­drücklich davor warnen, jemals in einem Gespräch die Frage aufzuwerfen, ob auch die Tiere oder Pflanzen eine »Seele« ha­ben. Sie werden entweder auf eine explo­siv losbrechende intellektuelle Diarrhöe oder auf jene süffisante Ablehnung sto­ßen, die aus dem Selbsterhaltungstrieb der eitlen hochgepäppelten Masse kommt. Da der Plebs die Fähigkeit des Quatschens für das größte Gut des Menschengeschlechtes und höchste Privileg hält, ist er überzeugt, denjenigen Teil der Schöpfung, der nicht in unseren Lauten zu uns sprechen kann, für inferior halten zu dürfen. Natürlich hatten Platon, Gau­tama Buddha und Goethe nichts dage­gen, sich auf ihrem Marsch in die Ewig­keit von der Tierseele begleitet zu sehen, wohl aber hatte es die Masse Mensch. Sie wird bösartig bei der Vorstellung, ein Hund könne an derselben Nabelschnur des Universums hängen wie sie…………“

Ich sehe in der Lebewelt ein Kontinuum der unterschiedlichen Komplexität. Neuere Forschungen zeigen, daß viele „Tiere“ zu erstaunlichen Intelligenzleistungen fähig sind. Warum also sollten wir in anthropozentrischer Arroganz auf sie herabschauen? Ich glaube, Descartes ist endgültig überwunden. Und damit auch religiöse Lehren, die den Tieren die Seele absprechen. Ich bekam noch im katholischen Religionsunterricht zu hören, nur Menschen hätten eine Seele, Tiere einen „Instinkt“. Was immer damit gemeint sein mag, es stinkt auf jeden Fall gewaltig.

Zur Frage des Bewußtseins, ich sage lieber: des Gewahrseins! Es stellt sich doch für uns die Frage, wie es überhaupt dazu kommt, daß wir etwas erleben. Wir wissen es bislang nicht. In der Biologie und Neurophysiologie hat man einen meines Erachtens faulen Trick gefunden, um der Frage auszuweichen. Man erfand den Begriff der Emergenz, das heißt, eines Auftretens völlig neuer Eigenschaften und Fähigkeiten bei Kombination von Komponenten niedriger(er) Komplexität. Wir alle kennen die Phrase „Das Ganze ist mehr als seine Teile“. In meinen Augen ist das Fahnenflucht vor der geistigen Herausforderung. Die Emergenz hat seit ihrer Erfindung zwar Denkfaulheit gefördert, jedoch kein einziges Problem wirklich gelöst. Ich gebe aber zu: das Wort klingt gut und, wie Geheimnisvolles sehr oft, gescheit.

Ich halte mich an Gustav Theodor Fechner, der von einer allgemeinen „Beseelung“ der Welt ausging. Wo steht wirklich geschrieben, daß sogenannte seelische Prozesse ausschließlich an Nervensysteme gebunden sind? Ist nicht auch hier schon ein Vorurteil am Werk, das in der Vergangenheit zu einem radikalen Anthropozentrismus führte, später, als man begann, auch Säugetieren so etwas wie bewußtseinsanaloge Fähgkeiten zuzuschreiben, zu einem „Mammaliozentrismus“ (eine eigenartige Wortschöpfung, wie ich zugebe, aber sie trifft)?Ich verweise auf den schon zitierten Joachim Fernau.

Diese ganze Geringschätzung und Herabwürdigung der nichtmenschlichen Organismen, also fast aller Lebewesen, und der übrigen Welt führte doch nur zur dualistischen Verwirrung eines Rene Descartes.  Seit Descartes, der hier stellvertretend für viele stehen möge, haben wir in der Naturwissenschaft einfach alles geistig-subjektive ausgeklammert. Daher auch die Finsternis auf diesem Gebiet, von der wir alle umfangen sind. In früheren Zeiten, als man wie selbstverständlich von einer Art Allbeseeltheit der Welt ausging, stellte sich das Problem gar nicht. Es kam eigentlich erst mit den orientalischen Schöpfungsgeschichten in die Welt, in denen ein Handwerkergott dem aus Erde geformten ersten Menschen eine „Seele“ oder was immer einbläst. Wir leiden also an einer ideologischen Bürde, die aus der nahöstlichen Giftküche, von den Urformen der Buchreligionen, stammt.

Ähnlich wie Fechner dachte auch der deutsch-jüdische Philosoph Hans Jonas, der meinte, unser Problem mit dem subjektiven Erleben und Empfinden käme daher, daß wir die Natur bislang unvollständig beschrieben haben. Ob wir sie jemals vollständig beschreiben werden können, lasse ich dahingestellt.

Ich kann hier nur eine Hypothese anbieten die ich, mich auf Jonas berufend, vor Jahren veröffentlicht habe. „Geistiges“ und Wahrnehmung sind keine emergenten Vorgänge, sondern beruhen auf Fokussierung, auf Bündelung von seit jeher in der physikalischen Welt vorhandenen Elementen, die nur wegen einer einseitigen ideologischen Prägung des abendländisch/europäischen Denkens ignoriert wurden.

I: Das wäre also jetzt ein Angriff auf das Christentum.

E: Ja und nein. Sicher eine Distanzierung von protestantischen Fundamentalismen, aber und vor allem auch vom dogmatischen, in vielen Bereichen intoleranten Katholizismus, der es immerhin schaffte, Galileis Werke bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein auf dem Index zu halten. Aber da gibt es ohnehin ein allzu langes Sündenregister. Und vor allem viele Leute, die, in den Startlöchern scharrend, auf ihre Stunde warten. Man denke nur an die Aktivitäten des Vatikans beim Bau eines Observatoriums just auf dem heiligsten Berg der Navajos, der das Ziel hatten, deren Religion – wie immer man dazu stehen mag – zu vernichten.

I: Nur hat sich ja auch im Katholizismus so einiges an Veränderung ereignet.

E: Ja und auch wieder nein. Ich hatte vor vielen Jahren das Vergnügen eines persönlichen Kontakts mit Kardinal König. Ich war äußerst beeindruckt von der Intelligenz, Weltoffenheit und Toleranz dieses Mannes, der gleichsam als erratischer Block aus seiner Kirche herausragte und in meinen Augen so gar nicht zu ihr passte. Mit ihm wurde wohl eine Perle vor die berühmten Haustiere geworfen. Mir sind natürlich auch die Anfeindungen gegen ihn in bester Erinnerung. Von Kreisen ausgehend, die ihm seine Äquidistanz zu den politischen Lagern unseres Landes übelnahmen, seine Ansicht, daß auch Arbeiter Menschen mit den selben Ansprüchen an das Laben wie andere seien, was zu seinem beide Seiten, sowohl die „kirchenschwarze“ als auch die „rot-atheistische“, irritierenden berühmten Vortrag vor Gewerkschaftern führte. Sein Nachfolger setzte diesen Weg bekanntlich nicht fort. Der dumpf-polnische Katholizismus des politisierenden, inzwischen aus mir unerfindlichen Gründen heiliggesprochenen Karol Woytila forderte seinen Tribut.

Aber abgesehen davon wurde ich durch die Begegnung mit Franz König (der übrigens auch ein freundschaftliches Verhältnis zu Helmut Schmidt hatte) schon auf die Tatsache gestoßen, daß es viele Katholiken gibt, die weder ihren Verstand noch ihre humanistische Einstellung abgegeben haben. Sie könnten sogar wertvolle Bündnispartner sowohl in allgemein humanen Anliegen als auch bei der Durchsetzung wissenschaftlich konsistenter Weltbilder abgeben. Spontan fallen mir die Namen Jean Ziegler, Helmut Schüller und auch der lokal bekannte em. Pfarrer Hans Ehrenfellner in Leonding ein. Als Gegenpol dazu fällt mir, einem eigeheirateten Neooberösterreicher natürlich gleich der Fastbischof Wagner aus Windischgarsten ein, ein Mann der sowohl mit radikalen Haßpredigten als auch mit einer beachtlichen Leibesfülle brilliert.

Damit muß man schon zugestehen, daß das Christentum insgesamt, und hier vor allem, als zahlenmäßig größter Vertreter, der Katholizismus ein sehr breites Spektrum umfaßt. Das reicht von rational argumentierenden Theologen, mit denen man wunderbar sprechen und auch diskutieren kann, bis zu inbrünstigen Fanatikern, zum Beispiel den einem getarnten Isiskult huldigenden Marienverehrern, wie wir sie in Medjugorje, Fatima oder Lourdes antreffen können. Dort begegnen wir einer sehr archaischen Form von Religiosität, vor der man sich als einigermaßen einigermaßen aufgeklärter Mensch, der seine Tassen noch im Schrank hat, nur gruseln kann.

Da ist der Unterschied zu islamischen Salafisten  nur mehr gering. Traurig stimmt es einen, wenn christliche Fundamentalisten inzwischen auch wieder versuchen, die Naturwissenschaften, vor allem natürlich das Evolutionsdenken, zu attackieren. In Amerika fließen Unsummen in pseudowissenschaftliche Institute, die, zugegeben vorhandene Schwächen evolutionärer Erklärungen der Stammesgeschichte gekonnt ausnützend, versuchen, die biblische Schöpfungsgeschichte und den göttlichen Urmacher wieder ins Spiel zu bringen. Man spricht von „intelligent design“.**

Das ganze stammt letztlich aus den USA, wo ja auch geistig die Uhren etwas anders gehen als bei uns. Ich sehe gerade in ID und kreationistischen Ideen einen weiteren sehr fragwürdigen amerikanischen Import, neben sehr vielen anderen, die uns besser erspart geblieben wären. Man denke nur an die primitiven Fernsehserien, in denen sogar vorgelacht wird, um einem geistig zurückgeblieben und auch bewußt dumm gehaltenen Publikum zu signalisieren, das es gerade lustig ist. Man kann nur mit vorsichtigem Optimismus feststellen, daß sich Amerika einen Großteil seiner geistigen Elite mangels eigener Ressourcen in Südamerika, Europa und Asien einkaufen muß. Das garantiert wenigstens für das Lehrpersonal amerikanischer Universitäten ein akzeptables intellektuelles Niveau. Aber das führt jetzt vom Thema weg.

I: Das klingt nach radikalem Antiamerikanismus. Eigentlich eine Domäne von Links- und Rechtsradikalen.

E: Ich bin weder das eine noch das andere. Ich bemühe mich nur, den Anschluß zu jenen nicht zu versäumen, die ihre Tassen noch im Schrank haben. Und damit kann ich Amerika, wie es sich präsentiert, nur äußerst kritisch begegnen. Die Arroganz, mit der die USA die ganze Welt für ihre Konzerne zur Plünderung freigeben, mit der sie sich über jedes Völkerrecht hinwegsetzen und sich zu Lehrmeistern der Menschheit aufschwingen, obwohl es zu Hause mit den sozialen Verhältnissen noch mit den Menschenrechten sehr schlecht bestellt ist, kotzt mich an. Sie destabilisieren hemmungslos die ganze Welt, zetteln Kriege und Konflikte an, wie es ihnen paßt. Daß seinerzeit auch ein im Abwind begriffener Adolf Hitler dank amerikanischer Gelder quasi gerettet wurde und doch noch die Macht ergreifen konnte, um einen von amerikanischen Großkonzernen gewünschten Krieg vom Zaun zu brechen, wird schamhaft verschwiegen, ist aber Tatsache. Für diese Inforation steht Karlheinz Deschner, politisch sicher unverdächtig, mit seinen großartigen Buch Der„Der Moloch“, das den USA einen sehr kritischen Spiegel vorhält.

Vom Rassismus und den eklatanten Demokratiedefiziten in den USA ganz zu schweigen. Daß ein George W. Bush mit mehr als einer Million Stimmen im Rückstand gegenüber Al Gore nach einem massiven und ganz offensichtlichen Wahlschwindel Präsident wurde, ist symtomatisch. Ähnlich Donald Trump.

Und ebenso rücksichtslos und brutal wie in der Politik gehen die Amerikaner eben auch in den Wissenschaften vor. Was nicht den Segen Amerikas hat, gilt nichts. Eine Domestizierung Amerikas wäre dringend nötig. Aber das führt vom Thema weg.

Wir sind ja bei den christlichen Fundamentalisten. Eigenartigerweise haben sie alle inzwischen die Kugel- (eigentlich Geoid-)form der Erde – einst auch von Klerikern wütend bekämpft – akzeptiert. Immerhin wurden gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts sogar Galileo Galileis Werke vom Index genommen. Der Wissenschaftshistoriker Pietro Redondi meint übrigens, daß die Gründe für das Einschreiten der Inquisition gegen Galilei ganz woanders lagen, nämlich in seinem Atomismus.

Doch wie immer: beim stammesgeschichtlichen Wandel und seiner natürlichen Begründung hapert es. Da feiert der militante Irrationalismus, ein selbstbewußtes Sumpertum, fröhliche Urständ‘.

Nachahmer finden sich allemal. Bei den Zeugen Jehovas ist diese Tendenz ja lange bekannt. Sie haben inzwischen in Professor Wolf-Ekkehard Lönnig vom Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, einem bekennenden Zeugen Jehovas, einen prominenten Mitstreiter gefunden.

Aber auch im katholischen Sektor tut sich einiges. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, Nachfolger des unseligen Hans Hermann Groër, ließ am 7. Juli 2005 in der New York Times einen Versuchsballon starten, indem er sich in einem Beitrag (Finding design in Nature) zustimmend auf Intelligent Design bezog. Die Reaktion war allerdings für ihn verheerend und aus dem Möchtegernsaulus wurde schnell wieder ein zahmer Paulus, der ab da auf provokante und vor allem inkompetente Ausflüge in die Biologie verzichtete. Auf Versuche, über ID eine Art Gegenaufklärung auf den Weg zu bringen. Und dann gibt es auch einen alten Bekannten aus Wiener Tagen: Gerhard Haszprunar, einst Jesuitenzögling in Kalksburg bei Wien, nunmehr Professor in München. Zu den Jesuitenzöglingen sei Aldous Huxley (Die Teufel von Loudun) zitiert:

„Die frommen Väter hofften, durch ihren Unterricht eine Klasse gebildeter Laien heranzuziehen, welche restlos den Interessen der Kirche ergeben wäre.“

Viele dieser Hoffnungsträger, wie ich vermute die schlaueren unter ihnen, wurden, entgegen den in sie gesetzten Erwartungen, Freidenker, doch einige lösten den Anspruch ihrer Lehrmeister ein. So auch der offenbar inbrünstig glaubende Gerhard Haszprunar. Er tingelt seit Jahren durch Bayerns Gaue und Landkreise, vor allem durch die, in denen die katholische Welt noch heil ist und kritische Denker nicht viel zu sagen haben, um seine bescheidene rechtgläubige Weltsicht zu verkünden. Ich habe ihn vor einigen Jahren in Linz als Gastvortragendendes Biozentrums live erlebt. Die tolle Erkenntnis, mit der ich von seiner Darbietung nach Hause ging, war immerhin, daß man an einen liebenden Gott glauben kann, aber nicht muß (das hätte ich vorher womöglich nicht gewußt, oder?).

Doch Spaß beiseite! Immerhin sprach er auf Einladung einer wissenschaftlichen Institution zum sog „Darwin Day“. Daher war meine Frage (neben anderen ebenso wenig beantworteten an ihn, welche Kriterien im Sinne Karl Poppers erfüllt sein müßten, um seine religösen Überzeugungen als widerlegt ansehen zu müssen. Die Antwort, man ahnt es schon: Schweigen im Walde. Ansonsten: Platitüden, die aber immerhin die Oberösterreichischen Nachrichten zu einer hymnischen Lobpreisung veranlaßten. Bei diesem ansonsten eher doch kritischen Medium befremdend.

Ich kann aber ein Büchlein empfehlen, das Haszprunar verfaßt hat. Es heißt „Evolution und Schöpfung – Versuch einer Synthese“. Für den einigermaßen kritischen Denker wegen einer signifikanten philosophischen Unbedarftheit ist es sicher amüsant bis wegen zahlreicher Ungereimtheiten ärgerlich, für inbrünstig „suchende“ vielleicht eine erbauliche Handreichung von Mutter Kirche und ein geistlicher Wegweiser in den Garten des (natürlich katholisch getauften) Herrn.

I: Sie sind aber immer Mitglied der Evangelischen Kirche.

E: Ja. Ich habe vor vielen Jahren dorthin gewechselt denn in meiner Schulzeit habe ich erlebt, wie man uns Angst vor Teufel und Hölle, vor ewiger Verdammnis machte.*** Vor allem am Gymnasium St. Pölten, konnte ich die Dumpfheit eines übermächtigen Katholizismus, für den die Moderne natürlich reines Teufelswerk war, noch erleben. Hier hatte sich ein Refugium des (schwarzen) Konservativismus erhalten. Vor allem im katholischen Religionsunterricht, wo ein zölibatärer Lehrer, wenn er nicht gerade sein Lieblingsthema, das „sechste Gebot“, in verdächtiger epischer Breite weitschweifig- ausschweifend erörterte, ganz offen den kleriko-faschistschen Ständestaat von 1934 bis 1938 pries. Vor allem dessen Verfassung, die mit dem Satz „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seien christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung“ beginnt. Österreich hat also das, was heute am Iran kritisiert wird, schon hinter sich, allerdings unter „christlich-abendländischem“ Vorzeichen. Aber der Henker hatte damals, im christlichen Staat, viel Arbeit, denn mit politischen Gegnern fackelte man nicht lange. Das Ende der Schweinerei war die nächste, der Heldenlatz 1938, wo Adolf Hitler als Erlöser stürmisch begrüßt wurde. Begrüßt von einer Menge, die weder wußte, daß sie vom Regen in die Traufe gekommen war, noch, welche Katastrophen ihr bevorstehen würden. Vorneweg dabei natürlich der Österreichische Episkopat unter Führung des Kardinals Theodor Innitzer, der sich Hitler in widerlicher Weise anbiederte.**** Es war allerdings vergeblich. Unter dem Hakenkreuz wurde die Macht der Katholischen Kirche in Österreich, aber auch in Deutschland, wohl für immer gebrochen. Es wäre für mich aber schöner, wenn andere dieses sicher notwendige Geschäft besorgt hätten.

Immerhin endete damit endlich auch die Gegenreformation, die, von Habsburg eifrig gefördert, furchtbares Unheil über unser Land gebracht hat. Sie wurde von dem Historiker Johannes Haller folgendermaßen chharakterisiert:

Schon am achten November 1620 war mit der vernichtenden Niederlage des pfälzisch- böhmischen Heeres am weißen Berge bei Prag alles entschieden, hilflos flüchtete der „Winterkönig“ aus dem Lande, Ferdinand war unbestrittener Herr von Böhmen und Österreich. In beiden Ländern wurde die Bevölkerung, bisher überwiegend protestantisch, nun mit furchtbarer Härte zum Katholizismus zurückgezwungen. Die Bekehrung war zu einem guten Teil nichts anderes als Entvölkerung. Den deutschen Österreichern aber ist damals das Rückgrat gebrochen worden.

Von diesem schweren Schlag, der zahllose Menschen ins Exil trieb und weit verstreute, hat sich unser Land wohl tatsächlich bis heute nicht ganz erholt. Denn auch die Wiener Moderne war eben eine Wiener, keine gesamtösterreichische Erscheinung und es gelang ja in der ersten Republik, dem Ständestaat und schließlich, als „krönendem Abschluß“, im Dritten Reich, vortrefflich, ihr geistiges Erbe zu liquidieren, sowie ihre verblieben Exponenten aus dem Land zu treiben. Dies ist sicher einer der Gründe dafür, warum für Österreich noch immer Habsburg, das durch Inzucht völlig degenerierte Herrscherhaus, Sisi, die Lipizzaner und allenfalls noch die Mozartkugeln identitätsstiftend sind. Daß Mozart Freimaurer war und die Melodie unserer derzeitigen Bundeshymne das Freimaurerlied aus der Zauberflöte ist, wissen die wenigsten.

Immerhin dauerte es bis zum Toleranzpatent Josefs II. (auch ein Freimaurer) noch bis 1781. Damals wurde Luhteranern, Calvinisten, Orthodoxen und Juden wenigstens die freie Religionsausübung gestattet. Nicht lange zuvor mußten sogar Bibeln heimlich ins Land geschmuggelt werden, weil das Lesen des „Buchs der Bücher“ im allerchristlichen Österreich verboten war. Eine der Absurditäten unserer Geschichte!

Doch schwelte der Ungeist weiter, bis ins zwanzigste Jahrhundert. Dort konnte man oft auch wenig mit dem gewaltigen geistig-künstlerischen Entwicklungsschub anfangen, der sich um die vorletzte Jahrhundertwende in Wien ereignete.

In vielen Nischen hielt sich ein rückwärtsgewandter Katholizismus leider noch lange. In meiner Schule, im Gynasium St. Pölten, war die Sache straff organisiert. Ein anderer Religionslehrer, in der Oberstufe, wollte uns den damals als progressiv geltenden „Holländischen Kathechismus“ schmackhaft machen. Seine Enttäuschung war groß, als dieser Kathechismus auf Geheiß Roms — damals war der nicht gerade fortschrittliche Paul VI Papst — aus dem Verkehr gezogen wurde. Mein damaliges hämisches Grinsen tut mir heute irgendwie leid, denn der Mann war zwar sicher innerlich verbogen oder auch gebrochen, aber dennoch anständig und ehrlich bemüht. Natürlich gab es Lehrer, die offen aus der vorgegebenen Generallinie ausscherten, wie den von mir bis heute verehrten Griechischprofessor Walter Mühleder – er machte uns erstmals mit modernen wissenschaftlichen Theorien und moderner Philosophie bekannt – , doch das Grundklima war militant vorkonziliar-katholisch-gegenreformatorisch. Ich sehe es heute locker, denn es war wahrscheinlich die notwendige geistige Feuertaufe, die meinen kritischen Geist anregte.

Ein kleines Bonmot dazu am Rande: einem mir in seiner lustigen Art sehr sympathischen, wenn auch gläubig-katholischen, Studienkollegen und mir erzählte eine Bekannte, sie hätte ihre Kinder in einer katholischen Privatschule untergebracht. Sein Kommentar: „bist du wahnsinnig, willst du, daß deine Kinder Atheisten werden?“

So kann man es natürlich sehen und es steckt eine tiefe Weisheit in diesem Satz. Auch ich wurde wohl gerade durch diesen penetranten und intoleranten Katholizismus für mein ganzes Leben von solcher Art Religiosität geheilt. Sie prägte damals noch große Teile des Landes – schwarz-katholische Kreise vom katholischen Akademikerbund waren es zum Beispiel auch, die einen Konrad Lorenz, für den sich sogar der kommunistische Abgeordnete Ernst Fischer einsetzte, ins Ausland trieben – bis unter Bruno Kreisky eine stürmische Entwicklung nicht nur zu mehr sozialer Gerechtigkeit, sondern auch zu Offenheit und Weltläufigkeit einsetzte. Diese Entwicklung ist trotz vieler Versuche, sie rückgängig zu machen, trotz einer neokonservativen und neoliberalen Ausrichtung der Bundesregierung und trotz des geistig-moralischen Niedergangs der österreichischen Sozialdemokratie wohl irreversibel.

I: Aber nochmals! Warum noch bei der evangelischen Kirche?

Ich trug mich lange mit dem Gedanken, allem Christlichen den Rücken zu kehren. Bis ich auf ein weiteres Buch und Zitat Jörg Zinks stieß,  der meine Sicht der Dinge, sicher besser formuliert als ich es könnte, weitgehend wiedergibt:

„…zu meinen, in der Bibel habe Gott zum ersten Mal zu Menschen geredet, dürfen wir getrost als naiv ansehen. Und zu meinen, die volle Erkenntnis Gottes sei in der Bibel von Anfang an schlagartig da gewesen, ebenfalls. Auch. die Bibel zeigt einen Weg, einen langen und mühsamen, der, durch viele Irrtümer und Verstrickungen hindurch zu einer immer deutlicher werdenden Erfahrung Gottes führt. Gott hat, seit es Menschen gibt, immer geredet, und die Menschen haben so viel von ihm vernommen, wie der Bewusstseinsstufe entsprach, auf der sie lebten. Wir alle sind, ob wir es wissen oder nicht durch diese tiefe und breite, jahrtausendealte Überlieferung bestimmt. Wir stehen nicht allein in der Welt, und die Welt ist nicht von uns erfunden worden, wir fließen vielmehr mit dem großen Strom von Wassern und Wirbeln im breiten Fluss einer geistigen Geschichte..“

Das kann ich akzeptieren. Auch und vor allem als Naturwissenschaftler. Diese Zitate zeugen von einem humanen und aufgeschlossenen, kritischen Geist, der nicht in engstirnigem Dogmatismus erstarrt ist. In dem Zusammenhang und egänzend verweise ich auf den zu früh verstorenen Physiker Hans Peter Dürr, der zu diesen Fagen Grundlegendes veröffentlichte. Zusammen mit Susanne Österreicher trat er in einem Buch mit dem Titel „Auch die Wissenschaft redet nur in Gleichnissen“ an die Öffentlichkeit.

Maßgebend für mich war auch eine äußerst tolerante und aufgeschlossene Atmosphäre in meinem damaligen Wohnbezirk Liesing. Mit dem sozial sehr engagierten Pfarrer Breyer.

I: Aber ist das, was Sie da zitiert haben, nicht eine Art Synkretismus?

E: Ja! Und ich stehe dazu. Warum nicht das in den eigenen Augen Beste von überall für sich und seine Mitmenschen nutzbar machen? Übrigens sind gerade die sogenannten Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam Musterbeispiele für Synkretismus. Beim Judentum wissen wir spätestens seit Siegmund Freuds bahnbrechendem Aufsatz über den Mann Moses, daß es sich bei der Entstehung dieser Religion doch etwas anders verhalten haben dürfte, als in der Bibel suggeriert, Die alttestamentarische Religion stammt wohl im Wesentlichen vom Eingottglauben und Sonnenkult des Pharao Amenophis IV, alias Echnaton, der zum Sonnen- und einzigen Gott Aton betete.  Moses – der Name ist ohnehin ägyptisch – steht wohl für einen Misssionar, der einen semitischen Stammesgott zu einem zweiten Aton umfunktionierte. Adonai, ein hebräischer Name für Gott, dürfte an Aton erinnern. Auch den Stamm der Leviten führt Freud auf eine aus Ägypten importierte Priesterkaste zurück. Und wenn man schließlich den Tanz ums Goldene Kalb bedenkt: wer dächte da nicht an den ägyptischen Apisstier?

In einem äußerst empfehlenswerten Buch des ägyptischen Wissenschaftlers Moustafa Gadalla***** kann man nachlesen, wie ägyptische Mythen und auch Biographien im Alten Testament auf hebräisch umgetrimmt wurden. Daß neben Gott Jahwe ursprünglich auch dessen Gattin Aschera verehrt wurde, sei, als sympathischer Zug am ansonsten eher grantigen und grausamen alttestamentarischen Gott-Dämon, am Rande erwähnt. Daß im Alten Testament auch Völkermord und ethnische Säuberungennicht nicht nur ausführlich geschildert sondern auch gutgeheißen werden, ist wohl ein weiterer wenig sympathischer Zug dieser Religion.

Wie man sich übrhaupt fragt, was z. B. in Menschen vorehen muß, die sich an der „Klagemauer, in schwarzen Mänteln und mit schwarzen Hüten be- und von ebensolchen Bärten verdeckt, streng abgesondert von Frauen, murmelnd rhythmisch verneigen.

Nicht nur die teils sehr bigotten US-Amerikaner beriefen sich manchmal auf solche Traditionen, als sie die angestammte Bevölkerung Nordamerikas vertrieben oder, wie meistens, überhaupt brutal ausmerzten, sondern auch die Israelis bei ihrer Landnahme in Palästina, wo eine Bevölkerung lebte, die nach allen Befunden der modernen Genetik tatsächlich mehrheitlich von den Juden abstammt, welche um Christi Geburt das Land innehatten.

Daher das Paradoxon: Die „Verstreuung unter alle Völker“ hat in Wirklichkeit nie stattgefunden. Die angeblich ins „Heilige Land heimkehrenden“ Juden sind überwiegend Nachkommen von Proselyten, Konvertiten, die genetisch mit den alten Juden überhaupt nichts zu tun hatten und haben. Die zionistische Elite bestand aus Nachkommen der Chasaren, eines konvertierten Turkvolkes. Die vielbeschworene Diaspora wird also in Wirklichkeit erst in der Gegenwart Realität: durch die vertriebenen Palästinenser. Die Zionisten übernahmen allerdings die fachliche Anleitung und Scheinlegitimation für ethnische Säuberungen aus dem gar nicht von ihren Vorfahren stammenden Alten Testament. ****** Über die Parallelen zum Warschauer Ghetto und anderen Erscheinungen der neueren Geschichte will ich lieber schweigen.

Aber dies ist ein Ausflug in die in dieser Hinsicht sehr traurige und grausame Geschichte.

Das ganze ist jedenfalls zu relativieren. Ebenso alle Glaubensinhalte, die so im Laufe der Zeit aus persischen und anderen Quellen ins Judentum einsickerten.

Ähnlich verhält es sich beim Christentum, das sich im Wesentlichen nicht nur aus jüdischen , sondern auch und vor allem aus spätantik-neuplatonischen und aus dem Mithraskult speiste. Nicht zufällig ist der Geburtstag sowohl von Mithras als auch von Jesus der 25. Dezember. Auch die Geschichte von der Geburt im Stall kennt man schon von Mithras. Die Dreifaltigkeit, also letztlich, entgegen allen theologischen Spitzfindigkeiten, die Verehrung von drei Göttern statt einem, wurde schließlich auf Befehl von Kaiser Konstantin am Konzil von Nicäa 325 n. u. Z. beschlossen. Dazu kam dann noch Maria als weibliche Gottheit. Somit waren es dann vier. Auf Konstantin, der die Kirche vor allem wegen ihrer guten Organisation und Nutzbarkeit als Machtinstrument förderte, geht auch die Feier des Sonntags als Tag des „Sol invictus“ alias Mithras, zurück, welcher bei den Christen den jüdischen Sabbat/Schabes ablöste.

Nicht zu vergessen ist schließlich der manichäische Einfluß, der vor allem auf den „heiligen“ Augustinus, einen alten Schlingel, zurückgeht. Er war in seiner Jugend laut eigenem Bekenntnis ein gar arger Sünder, im Alter dann Moralapostel. Aber gut, das ist der Lauf der Welt und des Menschenlebens. Schon Friedrich Nietzsche sagte einmal: „junge Hure, alte Betschwester“.

Augustinus war es auch, der die platonische Philosophie in der Kirche hoffähig machte, so wie später ein Thomas von Aquin Aristoteles „taufte“.

I: Glauben Sie, daß dieser Synkretismus auch ein Anzeichen für Opportunismus ist?

E: Ganz sicher! Man wollte sich eben vergrößern und — eine alte Sünde der Menschen, ein Makel, der uns wohl seit jenen Tagen anhängt, in denen unsere äffischen Ahnen noch in kleinen Horden durch Afrika streiften — Macht ausüben. Macht, die leider viele stärker stimuliert, als es die Erotik und Sexualität je könnten.

Als Herrschaftsinstrument diente die Kirche nicht nur Konstantins Nachfolgern, mit der rühmlichen Ausnahme Julians, des „Abrtünnigen“, des „Apostaten“, sondern später auch germanischen Machthabern, die in puncto staatlicher Organisation mit Rom gleichziehen wollten und das Christentum verordneten. Die Schändung der Donareiche durch Bonifazius und das durch Karl den Großen (auch „Sachsenschlächter“ genannt) angerichtete Blutbad von Verden sind nur zwei von den vielen Konsequenzen.

Es ist schon bemerkenstwert, daß die Christen, erst einmal an der Macht, statt Nächstenliebe und Toleranz zu üben, überall, wo es möglich war, sofort begannen, jede religiöse Konkurrenz fanatisch und grausam zu bekämpfen und auszurotten. Während von den sogenannten Christenverfolgungen im religiös toleranten Römischen Reich maximal 3000 Menschen betroffen waren – viele davon nicht getötet, sondern nur verbannt. Man hat die Sache später aus Propagandagründen maßlos übertrieben. Im Gegensatz dazu geht die Zahl der Opfer christlich motivierter Verfolgungen, Kreuzzüge, Strafaktionen, der Recoquista in Spanien, der Hexen- und Ketzerverfolgungen in die Millionen. In Spanien wurde übrigens auch der gelbe Judenstern erfunden.

Als heidnische Märtyrerin sei stellvertretend für Millionen die Philosophin und Wissenschaftlerin Hypathia in Alexandria erwähnt. ****** Sie wurde 415 oder 416 n. u. Z. von einem christlichen Mob ermordet. Ihren Leichnam zerstückelte man nach vollbrachter Tat. Ich machte mir schon den Spaß, sie besonders eifrigen und wenig bedarften Katholen als christliche Märtyrerin und Schutzpatronin anzuempfehlen. Bei dem rapide expandierenden Pantheon, den die Kirche verwaltet, kann sich schon einmal ein Fremdkörper einschleichen.

Hypathia war übrigens die Tochter Theons, des letzten Leiters der Bibliothek von Alexandria, in der eine ungeheure, in der damalige Zeit wahrscheinlich übehaupt die größte Zahl philosophischer und wissenschaftlicher Werke aufbewahrt wurde. Diese Bibliothek und damit einer großer Teil des antiken Wissens ging in Flammen auf. Angezündet von fanatisierten Christen, wenn man John Freely und seinem phantastischen Buch „Aristoteles in Oxford“ glauben kann.

Wir sollten all dies im Auge behalten, wenn wir heute, zu Recht, die Grausamkeiten und barbarischen Schändungen von Kulturdenkmälern durch den Islamischen Staat und andere Gruppierungen anprangern.

Die Kreuzzüge, noch heute ein Trauma in den arabischen Staaten, vergleichbar in etwa mit dem Hunnensturm bei uns, sind ja ein eigenes Kapitel. Als Lichtgestalt fällt mir da der Staufer Friedrich der Zweite, übrigens Verfasser des ersten naturwissenschaftlichen Buches des Mittelalters, ein, der einen ihm vom Papst aufgezwungenen Kreuzzug, zu desssen Mißvergnügen, diplomatisch und unblutig beendete.

Daß der Islam eine Mischung aus jüdischen und christlichen Elementen ist, sei am Schluß erwähnt. Die Kaaba in Mekka wurde übrigens schon lange vor Mohammed von animistisch eingestellten Arabern verehrt.

I: Sind also die Buchreligionen, vor allem das Christentum, Machtinstrumente?

E: Sicher, wenn auch nicht ausschließlich. Es gibt ja parallel zu den mächtigen Kirchen noch andere, parallel laufende Traditionen, welche einerseits, meist im Gegensatz  zu den offiziellen Hierarchien, die humanen Werte ihrer Religionen hochhielten, andererseits auch ältere wertvolle Traditionen aus der Antike und auch aus dem alten Europa bewahrten. Als Beispiele für viele möchte ich Johannes Scotus Eriugena und den mit Ketzerprozeß bedrohten Meister Eckart erwähnen. Die Vertreter der italienischen Rennaissancephilosophie und viele andere sind hier zu nennen. Letztlich auch Goethe, Schiller, Lessing, Kant und viele andere. Noch 1949 wurde Konrad Lorenz (über den ich in vieler Hinsicht kritisch denke), obwohl Erstgereihter, nicht Professor für Zoologie in Graz. Und das nicht wegen seiner „braunen“ Vergangenheit (die eher als Mitläufertum einzustufen ist), sondern wegen seiner Einstellung zur Evolution. Kein Zufall, daß das über die Bewerbung entscheidende Gremium mehrheitlich von Mitgliedern des Katholischen Akademikerbundes beschickt war. Und da waren schon auch alte Seilschaften aus dem politisch kriminellen Ständestaat mit von der Partie.

Wir sollten in diesem Zusammenhang auch bedenken, daß fast alles, was europäisch-westliche Kultur und Wissenschaft ausmacht, vor allem auch die Aufklärung, auf der ja unser modernes Denken beruht, in Opposition zu den Kirchen und teilweise gegen ihren erbitterten Widerstand erkämpft wurde.

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Scan_20150723 (9)Scan_20150723 (10)Scan_20150723 (11)Einige Bücher, die für den Wandel in der Biologie stehen

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Scan_20150723 (8)Eine kritische Abrechnung mit Intelligent Design

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Scan_20150723 (6)Scan_20150723 (4)Scan_20150723 (3)

Scan_20150723 (7)Einige Bilder aus dem in der Volksschule verwendeten Religionsbuch. Ganz oben der Handwerkergott als überhöhtes Ebenbild des Menschen. Strafen und Höllen- (oder Fege-)feuer sind sehr beliebte Motive. Die frommen Gesichter und gefalteten Hände der Auserwählten würden wohl kaum zu einer Diskussion unter kritisch Denkenden passen.

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Feierliche Erklärung! Aus innerster Überzeugung und mit freiem Willen erklären wir unterzeichneten Bischöfe der österreichischen Kirchenprovinz anläßlich der großen geschichtlichen Geschehnisse in Deutsch-Österreich: Wir erkennen freudig an, daß die nationalsozialistische Bewegung auf dem Gebiet des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie der Sozialpolitik für das Deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten Schichten des Volkes Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir sind auch der Überzeugung, daß durch das Wirken der nationalsozialistischen Bewegung die Gefahr des alles zerstörenden gottlosen Bolschewismus abgewehrt wurde. Die Bischöfe begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren besten Segenswünschen und werden auch die Gläubigen in diesem Sinne ermahnen. Am Tage der Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständliche nationale Pflicht, uns als Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen, daß sie wissen, was sie ihrem Volke schuldig sind.

Wien, am 18. März 1938
+ Th. Kard. Innitzer + Johannes Maria Gföllner + Adam Hefter + Ferdinand Pawlikowski + Michael Memelauer + S. Waitz F. E. B.

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Jörg Zink hat übrigens in seiner Bibelübersetzung all die entsetzlichen Stellen des Alten Testaments, in denen Völkermord und entnhische Säuberung als dem Herrn wohlgefällige Taten gerühmt werden, weggelassen. Das nenne ich nicht Verfälschung, sondern Weiterentwicklung einer Glaubensrichtung. Warum sollte man sich nicht von Überholtem trennen? So wie das Leben des/der Einzelnen Entwicklung bedeutet, ist es doch auch bei Gemeinschaften.

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Raffaelo Santi setzte Hypathia in seier berühmten darstellung der Philosophenschule von Athen ein Denkmal.

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One thought on “Die Gretchenfrage

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